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Nur berühmt

Luise Büchner

„Lebt wohl, ergötzt Euch froh an unsren Scherzen,

Die gerne lachen, sind die besten Herzen!“

(Prolog)


Kommt Kunst von Können oder war es umgekehrt? Ein adeliges Fräulein raisoniert mit ihrer kurz vor der Heirat stehenden Nichte und deren Cousine über Kunst, Berühmtheiten, Theateretikette und welche Rolle darin das Verhältnis der Geschlechter spielt. Als dann der mit einigem Showtalent ausgestattete Bruder des Kammermädchens auftaucht, wird der felsenfeste Glauben des Fräuleins an die Gleichwertigkeit von Ruhm und Kunst gewaltig auf die Probe gestellt.

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Luise Büchner, Georg Büchners jüngere Schwester, wurde 1821 geboren. 1855 veröffentlichte sie mit Die Frauen und ihr Beruf einen bedeutenden Text der frühen Frauenbewegung, in dem sie sich vehement für weibliche Berufsbildung einsetzt. Seitdem war sie erfolgreich als Publizistin und Vortragsrednerin tätig. Mit der unvollendeten Erzählung Ein Dichter hat sie den einzigen authentischen Text über Georg Büchners Jugend in der Familie hinterlassen.

NUR BERÜHMT gehört zu ihren belletristischen Veröffentlichungen und erschien erst posthum in den Nachgelassenen belletristischen und vermischten Schriften (Frankfurt am Main 1878). Das Stück wurde nie aufgeführt, es sind zumindest keinerlei Belege dafür vorhanden.

Besetzung

Fräulein von Windeck
MÉLANIE LINZER
Anna, ihre Nichte
AYLIN KEKEC
Frau Emilie von Klein, deren Cousine
TANJA MARCOTTE
Fanny, Kammermädchen der Frau von Klein
JOHANNA BRONKALLA
Gottfried, Fannys Bruder
OLIVER KAI MÜLLER
Katharina, Zimmermädchen des Fräuleins von Windeck
URSULA STAMPFLI
Gottlieb Biedermeier, Hausmusiker im Hause von Windeck
BASTIAN HAHN

Inszenierung: Christian Suhr

Spieldauer: 75 Minuten (keine Pause)

Presse

Büchnerbühne feiert Luise Büchner als Theaterautorin

Diese Damen wollen Schönheit statt Emanzipation: Uraufführung der Salonkomödie „Nur berühmt“ vor der Leeheimer Kirche zum 200. Geburtstag der Frauenrechtlerin.

LEEHEIM - Bekannt ist Luise Büchner (1821–1877) als Vorkämpferin der Emanzipation mit Werken wie „Die Frauen und ihr Beruf“ – und als Schwester des Dichters Georg Büchner (1813–1837). Dass sie sich an einem Theaterstück versucht hat, blieb zu Lebzeiten verborgen. Ihre Salonsatire „Nur berühmt“ erschien postum und wurde wahrscheinlich noch nie szenisch aufgeführt. Bis nun die Darmstädter Luise-Büchner-Gesellschaft die vermutliche Uraufführung als Auftragsarbeit an die Leeheimer Büchnerbühne vergeben hat.

Am Abend vor Luises 200. Geburtstag nun also Corona-konforme Premiere unter den Linden im evangelischen Kirchhof, wo Fräulein von Windeck mit Nichten und Dienerinnen dem Besuch bedeutender Künstler entgegenfiebert. In Anlehnung an das Hauptwerk der Frauenrechtlerin könnte ihr Lustspiel auch den ironischen Titel „Die Frauen und ihre Berufung“ tragen, geht es diesen dämliche Damen doch offenbar nur um das Bewundern berühmter Herren.

„Bedenkt, es ist kein Molière, Kotzebue“, heißt es gleich im Prolog, wo die Autorin behauptet, das Stück sei ihr „aus obskurer Hand anonym gesandt“ worden. Luise Büchner hat wohl selbst nicht an ihren Text geglaubt, und die Theatergeschichte hatte mangels Gelegenheit auch kein günstigeres Urteil zu bieten. Bis jetzt. Regisseur Christian Suhr bearbeitete die Vorlage aus dem Archiv so geschickt, dass dieses Stück nun zwischen Piano und Sofa unter mächtigen Bäumen absolut brauchbar wirkt – mal abgesehen davon, dass es 150 Jahre zu spät kommt.

Der erfreuliche Eindruck rührt vor allem daher, dass hier ein Ensemble mit Sinn für pointierte Typen und ein Regisseur mit dem Gespür für Ton und Timing der Komödie am Werk sind. Mit Allongeperücke und Brokat vor der Brust ist das reife Fräulein von Windeck eine Kunstfreundin, die gerne schief singt, schräg deklamiert und dabei einen unverwüstlichen Enthusiasmus für die Künste an den Tag legt. Mit ihrem Auftritt qualifiziert sich Melanie Linzer gleich mal für die Rolle der legendären Mäzenatin und leidenschaftlichen Operndilettantin Florence Foster Jenkins, falls das Leben dieser „Diva der falschen Töne“ mal wieder auf die Bühne kommen soll.

So begeistert diese Tante, so bedrückt ihre verhuschte Nichte Anna, die bald heiraten soll. Dann ist wohl Schluss mit schöngeistiger Tändelei. Aylin Kekec schaut denn auch zunächst drein wie sieben Tage Regenwetter. Tanja Marcotte ist neben der verdrucksten Verwandten als Base Emilie offenbar chronisch empört. Die Unruhe im Hause Windeck ist ja auch gewaltig. Schließlich werden große Männer erwartet. Die Dienerschaft hat also viel zu fegen, wobei das handfeste Kammermädchen Fanny (Johanna Bronkalla lässt das R herb rollen) viel lieber liest. Zimmermädchen Katharina wiederum schwärmt vom Ballett, was bei der silberhaarigen Ursula Stampfli zu besonders hinreißenden Auftritten führt: Die betagte Dienerin galoppelt und trippelt wie eine Ballerina, windet sich aber ebenso hingebungsvoll als große Tragödin. Zwischendrin wird auch mal abgestaubt.

In diesem Fünf-Frauen-Haus schmachtet Klavierlehrer Gottlieb (Bastian Hahn) seiner Schülerin Anna hinterher, die ihn aber bei den Lektionen versetzt, was wiederum seine Eifersucht anstachelt. Dieses musikalische Techtelmechtel rundet das Sittenbild einer nutzlosen Gesellschaft von hohem Rang ab. Kurz bevor dem etwas dünnen Konversationsstück die Puste ausgeht, schaltet die Regie beherzt um auf Burleske.

Fannys versoffener Bruder Gottfried kommt zu Besuch. Tante Windeck ist aber fest davon überzeugt, dass es sich hier um den lang erwarteten Maestro Contarini handeln muss. Das ist so eine Rolle, mit der Oliver Kai Müller mal wieder in die Vollen gehen kann. Gottfried lenzt den Wein, wühlt in seinem Schritt, beleidigt die Gastgeberin und drängt sich der Nichte auf. Ein Kulturschock für die Damen, die dieses Ein-Mann-Bauerntheater aber unverdrossen mit Geniekult rechtfertigen.

Nach 75 Theaterminuten ist die Dramatikerin Luise Büchner dann so richtig auf Touren. Vielleicht ist sie keine literarische Schwester von Molière, wie sie ja selbst schreibt, aber die bürgerlichen Possen aus den Vaudevilles eines Eugene Labiche sind in der kurzweiligen Lesart der Büchnerbühne gar nicht so weit weg. Wie Christian Suhr und seine Truppe dieses Fundstück aus dem Nachlass dramaturgisch aufgehübscht haben, ist es ein Geburtstagsgeschenk, das der Schriftstellerin Luise Büchner auf unterhaltsame Art schmeichelt.

14.06.21 Stefan Benz, DARMSTÄDTER ECHO

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